Konzentration & Aufmerksamkeit durch Achtsamkeit


Mit Achtsamkeit zu neuen Schlüsselqualifikationen einer veränderten Wirtschaft

Pling! Eine neue WhatsApp Nachricht ist da. Wieder abgelenkt. Die Fähigkeit sich länger auf etwas konzentrieren zu können und dabei länger fokussiert zu bleiben wird immer mehr zur Schlüsselqualifikation erfolgreicher Menschen. Die moderne Neurowissenschaft untersucht seit einigen Jahren verstärkt die Folgen der digitalen Kommunikation und des medialen Informationsfeuers für unser menschliches Gehirn und ist dabei zu einigen sehr interessanten Erkenntnissen gekommen.

 

Der Wirtschaftsnobelpreis Gewinner Herbert Simon hat in diesem Zusammenhang schon vor langer Zeit folgende These formuliert: Information verbraucht die Aufmerksamkeit seiner Konsumenten. Der Überfluss der Informationen erzeugt eine Armut der Aufmerksamkeit. Keine Frage: die neuen Arten der digitalen Kommunikation bereichern unser Leben in vielfältiger Weise und kaum einer möchte die Vorzüge mehr missen. Unser tägliches Verhalten hat sich in unserer Gesellschaft dadurch jedoch auch nachhaltig verändert. Wir erledigen heute Dinge ganz anders als noch vor 15 Jahren. Das mediale Dauerfeuer und die permanente digitale Kommunikation führen dazu, dass unsere Fähigkeit zur Aufmerksamkeit ständig angegriffen und geschwächt wird. Doch schauen wir uns zunächst mal an, was Aufmerksamkeit konkret bedeutet.

Aufmerksamkeit aus Sicht der Hirnforschung

Der Wissenschaftler Daniel Goleman, Bestseller Autor des Buches „Emotionale Intelligenz“, beschreibt zwei Formen von Aufmerksamkeit: Die willentliche Aufmerksamkeit und die reflexhafte Aufmerksamkeit.

 

Die willentliche Aufmerksamkeit ist der Top Down Mechanismus im Gehirn, also der Verstand (Neocortex) der dem Gefühl (Limbisches System) sagt was zu tun ist. Dies hat viel mit Selbstbeherrschung, Disziplin und willentlichen Entscheidungen zu tun.

 

Die reflexhafte Aufmerksamkeit ist der Bottom Up Mechanismus, der uns aus einem bestimmten Gefühl heraus Entscheidungen treffen lässt. Dies geschieht oft automatisiert und häufig basiert unser Handeln auf unbewussten Entscheidungen. Marketing Strategen in der Werbebranche setzen ihre Produkte mittels Emotional Selling heute so in Szene, dass sie bei uns genau jene unbewussten Bottom Up Prozesse in Gang setzen. Wir glauben jedoch immer noch häufig, dass wir nahezu alles nach dem Top Down Prinzip entscheiden. In Wirklichkeit wird unserem rationalen Verstand schon lange vor seiner bewussten Entscheidung von unten diktiert, wie er sich entscheiden sollte. Die Krux in unserer heutigen Zeit besteht darin, dass die neuen Technologien eine Flut an Verführungen nach dem Lustprinzip bieten, die jede Menge Bottom Up Mechanismen aktivieren. Unsere reflexhafte Aufmerksamkeit wird sozusagen ständig gefüttert, was auf Kosten der willentlichen Aufmerksamkeit geht. Das Ergebnis daraus sind auch etliche Handlungsmuster, die wir in Bottom Up Prozessen im Automatikmodus ausführen. Um aus diesen mitunter teils schon zombiehaften Automatismen zu erwachsen, braucht es eine gezielte Stärkung der willentlich aktiven Aufmerksamkeit. Die gute Nachricht: diese Aufmerksamkeit lässt sich ähnlich wie die eines Muskels trainieren. Dazu später mehr.

Mythos Multitasking

Zahlreiche Hirnforscher haben mittlerweile in Studien nachgewiesen, dass wir nicht in der Lage sind, unsere konzentrierte Aufmerksamkeit auf mehrere Dinge gleichzeitig zu richten. Wir erliegen hier einer Illusion, die uns durch schnelles Wechseln zwischen den Aufgaben eine Gleichzeitigkeit vorgaukelt. In Wirklichkeit verschwenden wir bis zu 25% unserer Arbeitszeit durch dieses permanente Springen zwischen den Aufgaben. Wissenschaftler bezeichnen dieses Phänomen als Sägeblatteffekt. Damit ist gemeint, dass wir mit jeder Unterbrechung erst wieder etwas Zeit benötigen, um uns in die andere Aufgabe wieder einzuarbeiten und voll bei der Sache zu sein. Und kaum sind wir wieder im Thema drin, lässt die nächste Unterbrechung unsere Konzentration und damit auch unsere Leistungsfähigkeit wieder in den Keller rauschen. So entsteht über den Tag verteilt ein Zickzackverlauf der Aufmerksamkeit.

 

 

Der Sägeblatt Effekt
Der Sägeblatt Effekt

Wenn das Hin –und Herspringen zwischen verschiedenen Reizen zwanghaft wird, spricht der amerikanische Psychiater Edward Hallowell vom Phänomen Attention Deficit Trait (ADT). Der Begriff ADT ist in Anlehnung an die vor allem bei Kindern bekannte Aufmerksamkeits-defizitstörung (ADS) entstanden. Er geht davon aus, dass intensive Mediennutzung ADS-ähnliche Symptome verursacht, die sich in Form von Konzentrationsproblemen und einer kurzen Aufmerksamkeitsspanne äußern.

Konzentration und Flow

Der Sägeblatt Effekt der ständigen Ablenkungen und Unterbrechungen beraubt uns auch einer Erfahrung, die sich immer dann einstellt, wenn wir in einer Tätigkeit völlig vertieft und mit voller Aufmerksamkeit bei der Sache sind: dem Erlebnis des Flow. Dieses „im Fluss sein“ entsteht, wenn sich eine Balance von Anspruch der Aufgabe (Challenge) und eigene Kompetenz (Skills) einstellt. Wir erleben dann eine Tätigkeit als herausfordernd, aber nicht überfordernd. Haben wir die Herausforderung gemeistert, erleben wir das gute Gefühl der Bestätigung oder sogar des Zuwachses unserer eigenen Fähigkeiten. Der ungarische Psychologe Mihaly Csikszentmihályi beschreibt das Flow Erlebnis als Moment, in dem der Körper oder die Seele eines Menschen freiwillig an ein Limit gehen um etwas Schwieriges und Lohnendes zu tun. Einer der sieben Aspekte des Flow ist jedoch die Fokussierung der Aufmerksamkeit, also die Fähigkeit seine Konzentration ähnlich einem Scheinwerfer auf einen begrenzten Bereich zu richten.

Das Flow Erlebnis
Das Flow Erlebnis

Training von fokussierter Aufmerksamkeit und Entwicklung von Selbst – Bewusstsein

Das Training von fokussierter Aufmerksamkeit ist eine Methode, die sich bereits in 2500 Jahre alten Meditationstechniken wiederfindet. Die bekannteste Form ist die Achtsamkeit bzw. Vipassana Meditation. Sie hat nichts mit Religion oder Glauben zu tun, sondern widmet sich ausschließlich der Konzentration auf ein Objekt, was in der Regel der Atem ist. Durch diesen Wechsel von Außenwahrnehmung hin zu mehr Innenwahrnehmung trainieren wir aber nicht nur unsere Aufmerksamkeit. Wir erfahren in diesem Prozess auch mehr über unsere Emotionen und erhalten mehr Klarheit über innere Werte, die unserem Leben eine bestimmte Richtung und Ausprägung geben. Je länger und tiefer wir diesen Fokus trainieren, desto mehr werden wir uns unser selbst bewusst. Man kann es auch so formulieren, als würden wir eine Schneekugel auf den Tisch stellen und langsam dabei zuschauen wie die Flocken zu Boden sinken und den Blick in die Kugel immer weiter aufklären. Mit diesem neuen Selbst-Bewusstsein gelingt es uns, viel mehr in Übereinstimmung mit unseren Werten zu leben. Wir bekommen Antworten auf die Frage: passt das was ich gerade tue oder das was ich in Zukunft vorhabe, zu meinem Werten und Zielen im Leben? Dies führt im Alltag zu mehr Kongruenz in der Sprache und im Handeln, was sich wiederum positiv auf unsere sozialen Beziehungen und unsere seelische Gesundheit auswirkt.

Aufmerksamkeit und Führungskompetenz

Ein weiterer Vorteil von klarer und offener Aufmerksamkeit ist die Fähigkeit, auch unter Stress und Druck ruhig zu bleiben. Über das verbesserte Bewusstsein der eigenen Emotionen gelingt es uns immer häufiger, aufsteigende Emotionen frühzeitig zu erkennen und sie dann willentlich regulieren zu können. So bleiben Menschen mit verbesserter Selbstregulation bei Ärger eher ruhig oder in schwierigen Situationen eher klar und strukturiert im Kopf. Das ist vor allem für Menschen mit Führungsverantwortung wichtig, denn in einem Unternehmen schauen die Angestellten in Krisensituationen immer zuerst auf die Führung. Die Gemütsverfassung der Führungskraft kann die Leistung der Angestellten verbessern oder verschlechtern.

 

Aus diesem Bewusstsein für eigene Emotionen erwächst mit der Zeit auch die Fähigkeit, Emotionen in anderen Menschen besser wahrzunehmen. Wenn eine Führungskraft versteht, was andere denken und fühlen, kann sie auch besser danach handeln. In untergeordneten Positionen in einem Unternehmen gibt es zum Beispiel oft sehr viel Angst. Eine gute Führungskraft wird das verstehen und den Leuten helfen, mit Stress und Angst besser fertig zu werden. Denn je aufgeregter wir sind, desto schlechter ist unser Gehirn in der Lage, Informationen zu verarbeiten. Eine Führungskraft muss emotionale Rahmenbedingungen schaffen, die dies berücksichtigen und dafür sorgen, dass Menschen in einem Umfeld des Vertrauens arbeiten können.

Aufmerksamkeit und soziale Empathie im Alltag

Mit dem Siegeszug des mobilen Internets lässt sich zunehmend der Trend erkennen, dass diese Bereicherung immer mehr zu Lasten unserer persönlichen Beziehungen geht. Die permanenten Unterbrechungen durch technische Geräte und vor allem das dauerhafte Beschäftigt Sein haben Auswirkungen auf unsere Aufmerksamkeit für andere Menschen. Wir leben heute viel stärker in einer selbstbezogenen Welt, was beispielsweise in Form von Selfies und starker Nutzung sozialer Medien sichtbar wird. Diese Selbstbezogenheit führt zu einem Mangel an sozialer Empathie und lässt sich vor allem in hektischen Städten in Form einer sozialen Trance beobachten.

 

 

Forscher an der theologischen Universität von Princeton wollten herausfinden, unter welchen Bedingungen Menschen Empathie eher entwickeln und wann sie zum Helfen eher bereit sind. Dazu wurde eine Gruppe von Theologie Studenten gebeten, eine Art Testpredigt zu halten. Einem Teil der Gruppe wurde als Thema die Geschichte vom barmherzigen Samariter, der Menschen am Wegesrand half, als Thema vorgegeben. Der andere Teil der Gruppe erhielt ein beliebiges Bibelthema. Später mussten die Studenten in ein anderes Gebäude auf der anderen Seite der Straße gehen und dort ihre Predigt halten. Auf dem Weg dahin passierte jeder einen jammernden und verkrümmten Mann auf der Straße, der offensichtlich Hilfe benötigte. Die große Frage war: hielten sie an und halfen dem Menschen? Noch interessanter war die Frage: hielt die Gruppe mit der Samariter Predigt eher an als die andere Gruppe mit dem beliebigen Bibel Thema? Die Antwort war klar und eindeutig: niemand hielt an und kümmerte sich um den Mann!

 

 

Man fand dazu im weiteren Verlauf der Studie heraus, dass es viel entscheidender war wie sehr jemand in Eile war. Wer unter Zeitdruck ist, der nimmt seine Umgebung kaum noch wahr und ist stattdessen viel stärker mit sich selbst beschäftigt. Und darin liegt das Dilemma der heutigen Zeit. Dieses Phänomen wird seit einigen Jahren vom noch recht neuen Forschungsfeld der Sozialen Hirnforschung untersucht. Eine Erkenntnis ist unter anderem, dass unsere Default Einstellung das Helfen ist. Wir sind soziale Wesen und Helfen liegt in unserer Natur. Wenn wir jemandem helfen oder helfen wollen, dann fühlen wir automatisch mit dieser Person. In der Wissenschaft verwendet man für diese Art des sozialen W-LANs den Begriff Spiegelneuronen. Doch wenn dies unsere „Werkseinstellung“ ist, warum tun wir es dann im Alltag so wenig?

 

Die jüngsten Studien bestärken die Annahme, dass die starke Selbstbezogenheit und die dauerhafte Beschäftigung und die ständige Verarbeitung von Reizen dazu führt, dass wir unseren Gegenüber nicht mehr voll und ganz wahrnehmen oder ihn kaum noch bemerken. Diese Form der Selbstbezogenheit kann sich manchmal auch sehr subtil bemerkbar machen. Ein Beispiel: als im Frühjahr 2015 das schlimme Erdbeben die Menschen in Nepal traf, habe ich zusammen mit einem guten Freund sehr engagiert Spenden gesammelt. Wir wurden oft für unseren Einsatz gelobt und erhielten so auf vielfältige Weise Anerkennung für unser Engagement. In einer ruhigen Minute wurde mir an einem Abend im Garten bewusst, dass damit ein narzisstisches Gefühl in mir befriedigt wurde: ich hatte ein gutes Gefühl über mich selbst. Doch an jenem Abend im Garten dachte ich viel stärker an die Menschen, die durch unser Engagement wieder ein Dach über dem Kopf bekamen, genug zu essen bekamen und zum Arzt gehen konnten. In diesem Moment wurde mir der Unterschied zwischen narzisstischem Selbstfokus und altruistischer Freude schlagartig bewusst. Ich war erfüllt von diesem Bild, dass Menschen in Nepal durch unsere Arbeit Hoffnung für ein besseres Leben schöpfen konnten. Meine Motivation kam jetzt wieder aus der Freude heraus, dass ich diesen Menschen helfen konnte und dieses Gefühl war wesentlich stärker und intensiver als die Selbstbezogenheit.

 

 

Gezieltes Training von Aufmerksamkeit durch Achtsamkeit unterstützt die Entwicklung von sozialer Empathie, lässt uns zu mitfühlenderen Menschen werden und stärkt so auch unsere emotionale Intelligenz. 

Autor: Stefan Spiecker, März 2016


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Wie man mit Achtsamkeit die neuen Schlüsselqualifikationen einer veränderten Wirtschaft erlernt.
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Konzentration und Aufmerksamkeit – die neuen Schlüsselqualifikationen einer veränderten Wirtschaft -

ein Artikel von Stefan Spiecker für das Institut für Management Entwicklung (IME)


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